Ehrenamtliche Tätigkeit Frau Dr. Hövermann
Unsere Kollegin Dr. Katharina Hövermann hat in der Mongolei für drei Wochen in einem zahnärztlichen Hilfsprojekt mitgearbeitet und darüber in der Zeitung der Hessische Zahnarzt einen Bericht veröffentlicht.
Ein Reisebericht
Indien…eine abenteuerliche, ehrenamtliche Tätigkeit in der Ferne
Mein Name ist Katharina Hövermann. Ich bin seit ungefähr fünf Jahren Zahnärztin. Schon während meines Studiums an der Berliner Charité war ich drei Wochen mit der Organisation „Dentits without limits“ als Famulantin in der Mongolei im Dorf Erdenesant tätig. Die Möglichkeit bereits in der Studienzeit helfen zu können und dabei zum ersten Mal, eine solch große Anerkennung zurück zu bekommen, hat mich nachhaltig geprägt. Auch die Chance so intensiv in die mongolische Kultur „hineinzublicken“ und vor allem einen Einblick in das Leben der Nomaden zu erhalten, war einzigartig.
Mein Reisebericht ist kein klassischer Bericht, in dem es darum geht, wie es in den Provinzen Indiens einhergeht. Da es bereits meine zweite Auslandsreise ist, haben mich diesmal andere Sachen beschäftigt und geprägt, über die ich gerne berichten möchte. Es geht um die Kleinigkeiten im Leben – an die ich immer wieder erinnert werde, sei es nur durch die kleinen Geschenke oder Mitbringsel, die einen Platz in meiner Wohnung gefunden haben.
Im Frühjahr 2017 traf ich bei einer Fortbildung in Frankfurt ein bekanntes Gesicht wieder: Kinderzahnärztin Dr. Birgitt de Taillez. Schon 2011 teilte ich mit ihr und ihrer Helferin in der Mongolei eine Yurte (das traditionelle Zelt der Mongolen). Nach meinem Aufenthalt in der Mongolei hatten wir uns leider, bedingt durch den ganz normalen „Studentenstress“, aus den Augen verloren. Bei unserem Wiedersehen in Frankfurt schwelgten wir schnell in alten Erinnerungen. Unabhängig von unserem Treffen wollte ich durch meine inzwischen gesammelte Berufserfahrung und meinen geplanten Jobwechsel nochmals ehrenamtlich im Ausland tätig werden. Als mir Frau Dr. de Taillez dann von ihrem Projekt erzählte, welches mir sehr zusagte und mir das Angebot machte daran teilzunehmen, musste ich nicht lange überlegen: ich wollte dabei sein!
Kurz zum Projekt: Seit fünf Jahren fliegt Frau Dr. de Taillez nach Indien. Irgendwann erfüllte sie sich einen Traum: Sie gründete ein eigenes Hilfsprojekt. Frau Dr. de Taillez engagiert sich sehr um Spendengelder und investiert selbst viel Zeit und Geld in das Projekt. Ebenfalls pflegt Sie intensiven Kontakt zu Herrn Sonam Gyaltsan, dem Direktor der Council Model School in Serti und früher Lehrer in einer benachbarten Schule. So entstand auch eine Brieffreundschaft zwischen Indien und einer Schule aus dem Dorf von Fr. de Taillez. Frau de Taillez und ich haben uns im Vorfeld der Reise mit Schülern der zehnten Klasse von der Steinwaldschule in Neukirchen getroffen. Zum einen hatten diese Briefe geschrieben und zum anderen – was ich persönlich sehr bemerkenswert finde – hatten die Schüler einen Verkauf von Kuchen gestartet und somit einen erheblichen Betrag zusammen bekommen, welcher für eine Solaranlage für die Schule dienen soll.
Ziel von Frau Dr. de Taillez in Kooperation mit dem Carolinum Frankfurt am Main ist es eine auf fünf Jahre angelegte Langzeitstudie vor Ort durchzuführen, indem folgende wesentliche Punkte umgesetzt werden sollen.
- Einführung der Präventivmaßnahmen/präventiven Zahnheilkunde: eine kombinierte Individual- und Gruppenprophylaxe.
- Deutsche Gruppenprophylaxe: Praktische Zahnputzübung (Erklärung und Durchführung der KAI-Technik jeden Tag während des Aufenthaltes der deutschen
Zahnärzte), Ernährungsberatung, insbesondere dem Umgang mit neuen westlichen Nahrungs- und Genussmitteln. Fluoridierungsmaßnahmen mit Elmex fluid. - Gewährleistung von ausreichend Zahnbürsten für Kinder, damit ein Wechsel alle 2 Monate garantiert wird (über Spendengelder).
- Fluoridhaltige Zahnpasta wird vor Ort (Leh) gekauft (um dort auch die Wirtschaft etwas zu fördern). Altersunabhängig Zahnpasta für alle Kinder, da diese von den autorisierten Personen verabreicht werden soll, um eine Überdosierung auszuschließen.
- Alle 3 Monate gruppenprophylaktische Fluoridapplikation mit Elmex fluid der „ausgebildeten Lehrerinnen“ oder den deutschen Zahnärzten (geplant ist es zweimal jährlich vor Ort zu sein).
Mein persönliches Ziel ist zu erforschen, ob ein stärkerer Fokus auf die einfachsten und reproduzierbaren Präventionsmaßnahmen in den Entwicklungsländern gesetzt werden sollte, um somit nachhaltig die Behandlungsnotwendigkeiten und Spendengelder bezüglich der zahnärztlichen Dienstleistung gesenkt werden können. In diesem Zusammenhang sehe ich den Zuspruch einen Zahnarzt mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendzahnheilkunde in Hilfsprojekten einzubinden. Aufgrund meiner angestrebten wissenschaftlichen Tätigkeit habe ich mit der Zustimmung von Frau Dr. de Taillez und Herrn Professor Stephan Huckemann (Institut für stochastische Mathematik, Göttingen) vor, einen Fallbericht auf der Grundlage, der von mir erstellten Daten der vorgenommenen „Prästudie“, zu schreiben.
Zu meinen Erfahrungen und Herausforderungen vor Ort:
Der Einsatzzeitraum in Indien, genau in Shakti (Ladakh) war vom 30. September bis 14. Oktober 2017. Für mich war das eine optimale Reisedauer, da ich aufgrund einer neuen Arbeitsstelle nicht, wie normal üblich, drei bis sechs Wochen hätte weggehen können. Wir sind zu viert nach Indien geflogen: Ein weiterer Zahnarzt, der hiermit bereits seinen dritten Einsatz vor Ort hatte, eine medizinische Fachangestellte und eine Jura-Studentin, die vorher ein Semester Medizin studiert hatte.
Bevor man eine solche Reise antritt, sollte man sich gut überlegen, ob man der Typ Mensch für ein solches Abenteuer ist. Man verbringt auf engsten Raum mit fremden Menschen, mit teilweise sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, 24 Stunden am Tag ohne jegliche Privatsphäre. Auch sind die Lebensumstände nicht jene, die man aus dem europäischen Großstadtleben kennt – angefangen bei den hygienischen Standarten bis hin zu nachtaktiven Mäusen unterm Dach, die einem Mal den Schlaf raubten oder eine Maus durch ein Versehen in unser Zimmer „plumpste“ und meine Kollegin zu einer Mutprobe herausforderte). An dieser Stelle muss ich jedoch erwähnen, dass der Direktor der Schule und unser Gastgeber Sonam sein Haus so hergerichtet hat, dass es schon fast luxuriös für uns war. Wir hatten nicht nur ausreichend Warmwasser zum Duschen, sondern auch eine sogenannte „local“ Toilett in einem schönen gefliesten Badezimmer, wie wir es von zu Hause kennen. Sogar ein funktionsfähiges WLAN wurde uns zur Verfügung gestellt (ja Sie lesen richtig, WLAN welches sogar manchmal in deutschen ICEs einen zu Verzweiflung bringen kann). Trinkwasser musste jedoch aus einem nahegelegenen Bach, von uns in großen Behältern geschöpft und aufbereitet werden.
Wir waren bestens vorbereitet, sei es die körperliche Fitness, eine Ausstattung zur eigenen Herstellung von Trinkwasser, Proteinriegel als Energielieferanten für zwischendurch oder die sehr gut ausgestattete eigens mitgebrachte Reiseapotheke. Allerdings hat die Höhe von 3600 Meter und die damit verbundene dünne Luft einem der Kollegen das ein oder andere Mal zu schaffen gemacht. Persönlich hatte ich keinerlei medizinische Beschwerden mit Ausnahme einer kleinen Kopfschmerzattacke am ersten Tag, die wohl auf die Höhe des Dorfes zurückzuführen war. Die Kopfschmerzen verschwanden schnell durch die grandiosen Eindrücke während einer Hochzeitszeremonie im großen Festzelt der Gemeinde (es ähnelt einem Zirkuszelt, welches von jeden der Einwohner aus dem Dorf genutzt wird). Zudem hielten wir uns alle an die erste Grundregel in den ersten ein bis zwei Tagen, welche beinhaltete viel zu Ruhen und mindestens vier Liter Wasser am Tag zu trinken.
Das Wichtigste ist und bleibt aber, dass es eine sehr wertvolle persönliche Erfahrung ist – eine unbezahlbare Lebenserfahrung für jedes Alter! Die Dankbarkeit und die Erlebnisse, die man erleben darf, prägen einen nachhaltig. Sonam, der Direktor, gesellte sich jeden Abend nach dem Essen zu uns in die Runde und wir redeten über die jeglichen Kulturen, Wirtschaftssysteme und Sitten – doch waren die Gespräche auch über persönliche Wertschätzungen und Lebensgeschichten geprägt, wobei wir viel lachten. Ich fand es außerordentlich schön, dass die Tür fast immer offen war und man sich willkommen fühlte. Die Frauen haben gekocht, die Kinder gemeinsam gespielt und gelernt, und die Männer in einer Runde meist auf Teppichen im Sitzen diskutiert. Die Frau von Sonam, die ebenfalls Lehrerin ist, stand bereits früh auf um uns jeden Tag frisches, gesundes, leckeres und mit viel Liebe zubereitetes Essen zu kochen. Man wird daran erinnert wieder im Hier und Jetzt zu leben. Sich auf der Straße zu begrüßen, sich Zeit zu nehmen mit jedem ausführlich zu reden und einfach ein Lächeln zu erhalten. Alltagsstress ist eigentlich ein Wort, welches dort nicht existiert.
Doch auch negative Aspekte wie Armut spiegeln sich im Leben der dort ansässigen indischen Gesellschaft wieder. Doch nicht wie in den gängigen Slums rund um Bangladesh, Viele leben und arbeiten quasi als Selbstversorger durch Tauschwirtschaft. Eine schöne Erkenntnis war der Zusammenhalt zwischen den Dorfbewohnern. Der starke Zusammenhalt der Bewohner liegt jedoch auch teils daran, dass es doch häufig Großfamilien gibt., zum Beispiel hatte Sonam alleine ungefähr 40 Cousins und Cousinen. Somit kann er sobald er Unterstützung benötigt kann er auf ein Familienmitglied zählen. In Indien spielt „Vitamin B“ immer noch eine zentrale Rolle. So gilt es in gewisser Hinsicht immer noch, dass die richtigen Kontakte in Verbindung mit dem notwendigen kleinen Materiellem man sich immer mehr Vorteile verschaffen kann.
Ich erinnere mich noch immer gerne an ein ungewöhnliches Treffen im Städtchen Leh als unser Team zwei slowenische Paragleiter kennenlernte mit den Worten „Hey Tourists!“ und diese ebenfalls am Ende zwei Nächte bei dem Direktor der Schule übernachten durften. Den Paragliderflug den sie für die Kinder der Schule an einem Nachmittag nach Schulschluss organisiert haben, war schon fast eine Sensation für alle Bewohner des Dorfes.
Ein weiterer bewegender Moment, war die Nachricht einer Teamkollegin, die mir am Abend der Ankunft in Deutschland folgende Zeilen schrieb: „Katharina bleibe so herzlich, lieb und rücksichtsvoll wie du bist. Ich konnte einiges von dir lernen, z. B. dass ein Lächeln viele Türen öffnen kann und man mit ehrlicher Freundlichkeit weit kommt“. Sich zu zwingen, sich aktiv aus seiner Komfortzone herauszukommen, seinen Alltag hinter sich zu lassen, heißt auch Grenzen aufzubrechen und neue Erfahrungen zu sammeln.
Alles in allem kann ich als Fazit für mich ziehen, dass es eine unvergessliche Reise mit vielen Facetten, wunderbaren Landschaften und viel Dankbarkeit seitens der Kinder war!
Dr. Katharina Hövermann, Frankfurt am Main